„Unterdrückt“ von Stefan Jahnke



Cover Unterdrückt
Historischer Roman
Paperback,
308 Seiten
Books on Demand, Norderstedt
Juni 2011
ISBN 978-3-84236-577-3



Elbsandsteingebirge, im ersten Drittel des 15. Jahrhunderts.
Heinrich Berka von der Duba, Herr des Wildensteins, entgeht nur knapp einem Giftanschlag.
Ein Gesandter des Kurfürsten enttarnte gerade noch rechtzeitig den Täter als Spion des Bischofs von Meißen, der seine Ziele, die alte Mark und sein Bistum endlich zu vergrößern, mit allen Mitteln durchzusetzen versucht. Heinrich, hin- und hergerissen zwischen Feindschaft und Dankbarkeit, nimmt seinen Retter Jonas mit auf eine Reise durch die seiner Sippe einst von Kaiser Karl zugesprochenen Gebiete.
Im 12. und 13. Jahrhundert begann die neue Besiedlung der heutigen Sächsischen Schweiz.
Auf Befehl der Markgrafen von Meißen zogen vor allem siedlungswillige Franken ins Land, um die slawischen Stämme bis hinter das große Steintor oberhalb der Elbe zurückzudrängen. Intrigen der Kirche, halbherzige Versprechen und Verrat veränderten jedoch bereits gefestigte Machtverhältnisse über Nacht.
Nie verwand Meißen den Spruch des Kaisers. Stets versuchten die Wettiner auf dem Burgberg, mit Unterstützung aus Magdeburg, Avignon und Rom, die Böhmen aus Heinrichs Familie zu überlisten, gar auszurotten. Doch getreu ihres Namens, hielten sie wie Birken jedem Sturm stand.
Ein neuer Kampf steht bevor. Kann Jonas seinen Ausgang beeinflussen?



Leseprobe


Kapitel 2 - Die Neuen sind Sieger (Auszug)

"Herr, vergebt mir. Aber niemand hat bisher daran geglaubt, dass Meißen uns nicht gut gesonnen ist. Der Markgraf gab uns alle Sicherheiten und auch der Bischof stellte uns doch gerade einen Kaplan ab, damit er die neue Kirche würdig als Pfarre übernehme."
Der Dorfschulze, ein feister Mann, der hier als Bäcker das beste Brot macht und dessen Kinder sich mit dem sauren Wein der Umgebung beschäftigen, der steht vor mir und fordert, dass ich alle Rechte der Dörfler aufrecht erhalte, wie sie ihnen ihr alter Herr gab.
Zum Glück trat der ohne Murren ab. Drei Monate ist das nun fast her. Der Sommer geht zur Neige, die ersten Stürme zeigen an, dass der Herbst sich dieses Jahr nicht lange an uns zu schaffen macht, sondern schnell dem Schnee Platz bieten wird.
"Wie stellst Du Dir das vor, Schulze? Ich habe dieses Dorf und die Umgebung, muss mich nun auch noch mit den neuen Herren an den Grenzen beschäftigen und Ihr fordert, dass ich all diesen Leuten hier soviel von ihrer Ernte lasse? Was denkst Du denn, wie der Kurfürst und der Bischof sich über all das freuen? Die schicken uns schneller einen Haufen her, der Ordnung macht und sich auf keinem Fall an mir oder meinen Männern vergeht, sondern an Deinen Leuten… und dann? Ich bin rechtmäßiger Herr. Und die Hälfte vom Feld, ein Drittel vom Wald und natürlich auch ein Viertel von jeder erfolgreichen Jagd… das ist nicht zu viel. Das weißt Du genau!"
Der Schulze steht da, ganz rot. Wenn er könnte, wie er nur wollte, dann hätte ich seine knorrigen Hände schon an meinem Hals und müsste mich meines Lebens erwehren… aber er weiß, dass sein Tod, der dann vereinbart sein muss, niemandem hier etwas nützt.
"Also… bring mir erst einmal die ganzen Weinvorräte. Das Zeug ist sauer. Gut. Aber es erfrischt. Und Du kannst Deinen Söhnen gleich sagen, sie sollen im nächsten Jahr mehr Sonne auf die Trauben scheinen lassen. Gerade Ihr alle kennt Euch doch mit Wein und diesem Werk darum sehr gut aus, oder?"
Er schluckt, beruhigt sich langsam.
Den Wein… dass ich nun gerade den als Erstes fordere, versteht er sicher nicht. Aber ich muss meine Leute ein wenig in Schach halten. Dieses Gesöff, das schon nach dem dritten Becher schlaff macht, kann dazu ein guter Anfang sein.
"Gut Herr. Ich hoffe, ich kann alle überzeugen. Aber die Steuern und Abgaben… schützt Ihr uns dann wenigstens vor den Steuereintreibern Böhmens?"
Wie meint er das denn nun?
Als wäre ich nicht von dieser Welt, sieht er mich an. Das ist fast eine Frechheit.
Die Hütte, die ich vorerst als meinen Amtssitz freimachen ließ und die ich natürlich an diese Witwe zurückgebe, wenn mein Haus für den Winter fertig ist, die wirkt immer klein. Ja, ich bin die Burgen meines Vaters gewohnt, die Bruno nun allein bewirtschaften darf. Aber wenn ich mir die Steine, die Hölzer und die Weiten ansehe, die wir hier zur Verfügung haben, dann kann ich ihn schon gar nicht mehr beneiden. Unordnung… für die bin ich selbst verantwortlich und ich sollte mir eine Hilfe ins Haus nehmen. Vielleicht unsere kleine Slawin, die nun seit einigen Tagen hier im Ort versucht, sich über Wasser zu halten. Denn ich bin weder ihre Familie, noch ihre Amme… sie sollte sich schon allein dafür verdingen…
Verdingen… nun ja… vielleicht… ich bin auch nur ein Mann und sie ist allein. Immer noch. Nicht einmal versuchte sie, nach diesem Schandau zurückzukommen. Vielleicht hat sie dorthin nicht die besten Erinnerungen?
"Also, Schulze… den Wein… und sag der Heidrun Bescheid… sie soll zu mir kommen. Mach es offen. Ich mag kein dummes Gerede!"
Der Mann sieht mich an, als wäre ich… ja, das kann er. Immer wieder tut er das. Ist es die Dummheit, die man den Franken nachsagt? Wein im Kopf und nicht mehr? Ich weiß es nicht. Die Böhmen. Der muss mir noch… über diese Heidrun vergesse ich doch, was ich wissen wollte. Und darum hat er sicher auch allen Grund, mich genauso anzusehen.
"Ach ja, und vorher… was ist das mit den Böhmen? Hüte Deine Zunge… ich bin ein Böhme. Ich hoffe, Du weißt das!"
Etwas schüchtern, wie es doch gar nicht seine Art ist, schaut er noch einmal halb herausfordernd um sich, obwohl wir allein zu zweit hier drinnen sind… die Unordnung… warum schäme ich mich nun gerade darum? Am Tage komme ich nicht dazu und in der Nacht… sollte man bei diesem Durcheinander, was ich vom Ronald von Sebnitz übernommen habe, auch ein wenig Nachsicht mit mir haben.
"Böhmen erheben doch im Kursächsischen keine Steuern. Und Zinsen oder ein Lehensgebiet… der Bischof gab mir dieses Land hier zum Lehen. Aber nicht umgekehrt. Das verstehe ich nicht. Auch wenn ich der Herr bin. Erklär es mir!"
Herausfordernd setze ich mich auf das leere Fass, das ich mir noch sichern konnte, was eben auch nicht zu lange reichte, und warte, was mir der Dorfobere nun erklären will. Gerede wird es sein… nur Gerede. Dafür sind sie doch alle bekannt… und ich gebe mich auch noch damit ab. Schande über mich!
"Ach Herr…"
Der Schulze setzt sich bequem, obwohl ich ihm keinen Anlass gab, dass er dies auch nur andenken solle. Aber er ist ein von sich und der Macht des Dorfes überzeugter Mann. Soll er es tun!
"Der König und der Kurfürst. Dazu noch ein Markgraf und ein Bischof. Und über allen steht der Kaiser, den sie doch alle lieben und fürchten. Aber untereinander weiß der eine nicht, was der andere tut. Und das tut manchmal richtig weh."
Ja, natürlich. Ich verstehe den Mann nicht. Müsste ich das?
"Als wir damals hier ankamen, da war das alles nur Wald. Ein paar Lichtungen. Mehr konnten wir nicht finden. Und einige von uns sind gestorben, weil sie sich zu eifrig in den Wald aufmachten, eine Lichtung vor sich dachten und dann in den Schlund, irgendwo in eine Schlucht fielen, vielleicht auch vom Teufel geholt wurden. Verrückte Zeiten waren das… Felsen und solche Schluchten mitten in einem Wald… das konnte man nicht gut erkennen."
Ja, fein.
Ich selbst hatte da auch schon Erlebnisse… bis hin zu einer Magd, die sich heimlich hinter einem Busch versteckt und dann nicht einmal vor dem Davonrennen haltmacht, wenn sich ein Bär in der Nähe befindet. Wie es dem wohl jetzt geht? Der Franjo tat sich in den wenigen Tagen, die wir nicht bei ihm waren gütlich daran. Und er sagte nichts zum Fell, das er sich nun schon in sein Wams hat arbeiten lassen… das dickere natürlich… für den Winter.
"Ja, damals war alles noch in Ordnung. Wir waren ja Wochen unterwegs, mussten alles entbehren und unser Herr versprach uns sicher mehr, als wir jemals an so einem Ort wie hier finden konnten. Aber wir nahmen diese Bürde auf uns, denn der Markgraf schenkte uns für einige Jahre die Abgaben, die Ihr nun von uns fordert…"
Ist da schon wieder ein Vorwurf?
Wenn das so weiter geht, dann sollte ich mir diesen Schulzen noch einmal richtig vornehmen. Der wird mir noch mit vollem Wissen und gutem Gewissen meinen guten Ruf verderben!
"Nein, Herr… das meinte ich nicht!"
Mein Blick, sicher nicht zu freundlich, der hat ihm gerade nicht gefallen. Und doch…
"Wir sind eben die Leute zweier Herren… nicht des Bischofs und des Markgrafen, wie man es wohl noch ein wenig verstehen könnte. Nein… die von Meißen und Böhmen. Und das macht uns… arm! Und nun kommt Ihr, ein Böhme, und sagt uns, dass man die Abgaben erhöhen muss, weil doch der Markgraf von Meißen… Ihr versteht?"
Nein, immer noch nicht. Was hat der König der Böhmen mit diesem Flecken hier zu tun?
"Das ist so verrückt, wie auch einfach, Herr!"
Ja, Mann, dann löse bitte endlich dieses Geheimnis für mich. Ich bin ganz Ohr und voller Erwartungen…
"Also, als wir damals in diese Gegend kamen und sie vollständig unbewohnt war… na ja, nicht so ganz. Es gab einige kleine Weiler. Und die bekamen dort gleich mit, dass wir ankamen. Natürlich wollten die erst einmal sehen, wer wir waren, was wir hier wollten und so weiter. Aber dazu hatten wir keine Zeit. Ewiges Gerede, lange miteinander über dieses und jenes verhandeln… das hält man doch nicht im Kopf aus! Also wollten wir die Slawen… ja, die waren solche Elbslawen, wie man die nannte, versperrten gern mal unseren Zugang zum Wasser… die wollten wir nicht mehr hier sehen und sagten ihnen das auch gleich."
Dumm… die sind die Einzigen… waren… na ja, er wird das sicher nicht getan haben, denn seine Eltern oder Vorväter waren es wohl, die hier ankamen und sich mit denen verstritten.
"Taten wir nicht. Doch sie rannten gleich zu ihren Herren. Zumindest zu denen, die sie über sich sahen und akzeptierten. Unseren Ritter und auch die Meißner sahen sie als ein notwendiges Übel, aber nicht als die Besitzer des Landes und damit auch ihre Herren an. Dumm eben… Wie Ihr schon sagtet!"
Quatsch. Ich meinte ihn mit Dumm.
Nun gut. Was geschah dann?
"Wir lebten und bauten unser Dorf auf. Das war wichtig, denn der Winter würde nicht lange auf sich warten lassen. Zum Glück kam er nicht so, wie wir ihn bei Lichtenfels kannten. Hart und lang… den hätten wir wohl nicht einmal mit jedweder Unterstützung des Markgrafen überstanden. Und der schützte uns wirklich… schickte noch Korn, dass wir unsere wenigen Vorräte für Brot verwenden konnten und doch die Aussicht blieb, die Saat in den Boden zu bekommen. Aber es reichte trotz allem irgendwie nicht. Und mit der Sicherheit… der Markgraf focht an vielen Ecken im Lande… dazu noch für den Kaiser. Da war kaum Schutz zu erwarten, wenn er nicht seine Burg völlig preisgeben wollte. Und wir konnten nicht erwarten, dass er uns so entgegenkam, wie diesen Dörflern weiter im Süden. Denn wenn wir auch noch so im Felsen und im Boden suchten… außer blutigen Händen, Dreck und Stein war nichts zu finden. Kein Silber und damit auch kein weiterer Schutz. Leider. Aber meine Vorfahren schafften es trotzdem, den Mut nicht zu verlieren."
Gut. Was war nun mit den Böhmen?
"Ja, die schickten eine Abordnung. Vier Bewaffnete, die hier richtig für Angst und Schrecken sorgten. Und wir ließen uns alle einlullen. Von ihnen und der Unentschlossenheit unseres Ritters."
Zustände, die es nun hoffentlich nicht mehr geben wird. Aber wie kommen die Böhmen nur darauf, hier Steuern zu erheben und warum wussten Bruno und unser Vater nichts davon? Ja, Vater konnten wir nicht mehr fragen. Aber Bruno, der doch in alle Geschäfte unseres Alten eingeweiht wurde, ehe der von uns ging, der hätte uns zumindest eine Warnung…
Oh, ich weiß… ich glaube zu wissen… na ja, es ist nicht einfach. Aber der König auf dem Karlstein kann nicht gut auf uns zu sprechen sein. Denn wir holten keine Order, keine Genehmigung von ihm ein. Ich nicht… und meine Brüder auch nicht. Ob wohl Bruno nichts anderes zu tun hatte, als ihm noch zu erzählen, was wir vorhatten? Das kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen. Und doch… ein wenig Neid war da in seinem Blick, als ich mich von ihm verabschiedete und ihm bedeutete, dass ich all seine Ritter, die er in seinen Brüdern als ehrbare und zu ihm stehende Männer kannte, mit mir nehme. Geschworen haben sie nicht auf ihn. Damit begingen sie auch keinen Frevel oder Wortbruch. Aber sie werden ihn sicher ausstechen, wenn wir erst hier in der Umgebung Fuß gefasst haben.
"Gut denn, Schulze… schick' mir nun endlich die Heidrun und ich will auch meine Brüder sprechen. Sag ihnen Bescheid. Sie haben mir einen Dienst zu erweisen. Und sie sollen sich auf eine Reise vorbereiten."
Der Mann springt auf. Zu lange schon saß er wohl bei mir und hat nun Angst, man könnte ihn als zu mir übergelaufen betrachten. Was sich diese Dörfler hier nur einbilden! Ohne meinen Schutz wären sie nun unter irgendeines Ritters Macht und was der mit ihnen anstellte… na ja, der Ronald war schon bereit zu gehen. Ob er sich anderswo noch einmal niederlassen kann? Nicht unter dem Markgrafen. Vielleicht zieht er gen Thüringen…
An andere Konstellationen mag ich nicht denken. Nein, er wird doch sicher nicht gegen uns arbeiten und… ach was, dieser blonde Kerl kann sich nicht mit unserem König verbünden. Und selbst wenn… der auf dem Karlstein wird schnell begreifen, dass wir schließlich alles nur für ihn tun… nicht für uns. Für ihn… na ja… auch für uns. Aber er kann sich mitten im Kurlande wieder einnisten. Das ging bisher nur mit Verrat und ein wenig List. Aber diese beiden Dinge sind nun nicht mehr nötig!
Heidrun kommt wenig später zu mir. Sie schaut mich scheu an und ich überlege, ob es wohl die Sache der Weiber ist, sich immer gegen die Männer so zu verhalten… ob nun in der Ehe oder einfach bei einem Treffen und einer Arbeit.
"Nun, Mädchen, willst Du zurück nach Schandau?"
Sie sieht mich an, als wenn ich sie gerade getreten hätte. Dabei ist es doch nur eine einfache Frage.
Mit einfachen Mitteln versuchte sie, ihr Kleid, das von unserem Aufgriff, viel mehr wohl noch vom Verstecken vor uns und vor dem Bären beschädigt war, wieder zu richten. Geschickt scheint sie zu sein. Und auch still, wenn man sie nicht fragt. Dass sie aber selbst jetzt, da ich ihr eine Frage stelle…
"Herr, muss das sein? In Schandau ist man nicht so zu mir, wie man es derzeit hier zu tun pflegt."
Aha… doch nur ausgerückt und nicht wirklich auf der Suche nach Kräutern oder einem Jungen? Das konnten wir nie ganz klären und… ehrlich gesagt interessierte es mich bisher auch noch nicht wirklich.
"Was erwartet Dich da?"


Jetzt bei Amazon bestellen!
Unterdrückt